1 Einleitung
Die Ziele von Social Science Works sind es, die gesellschaftliche Integration zu fördern, demokratische Beteiligung von benachteiligten Gruppen zu ermöglichen, und Tendenzen von Populismus und Radikalisierung einzudämmen. Wir entwickeln neue, deliberative Wege für sinnvolle Bürgerbeteiligung und neue Strategien zur Stärkung der bürgerlichen und zivilgesellschaftlichen Kompetenzen. Wie die Welle der politischen Entfremdung und des Populismus in fast allen westlichen Demokratien zeigt, sind nicht nur deliberative Gespräche mit Geflüchteten gefragt. Auch die ansässigen Bürger(innen) westlicher Demokratien haben ein großes Bedürfnis miteinander über die Werte, Ideale, Ideen und Perspektiven zu kommunizieren, die unsere Gesellschaften zusammenhalten.
2 Maßnahme
Ziel unseres Projekts Deliberation gegen Populismus war es mit politikverdrossenen und politisch entfremdeten Menschen in einen Dialog zu kommen und sie aus ihrer Echokammer zu bewegen. Zweck der angestrebten Dialoge und Diskussionen war es diese Menschen zu animieren sich mit Ihren eigenen Auffassungen, Meinungen und Problemen kritisch auseinander zu setzen und einen Prozess der Reflexion einzuleiten. Hierfür haben wir 2 deliberative Events, eines in Cottbus und eines in Frankfurt Oder, angestrebt. Es ging vor allem darum den Frustrationen über mögliche politische Fehlrepräsentation Raum zur problemorientierten Diskussion zu geben. Entscheidender Aspekt war dabei, allen Beteiligten einen fairen Raum zur Artikulation einzuräumen, ohne einzelne Meinungen zu stigmatisieren. Als Moderator ist dabei eine mäeutische Herangehensweise wichtig, die aus problematischen Haltungen das unterliegende Problem herausarbeitet.
Wir haben erprobt vor allem jene Teile der Bevölkerung zur Teilnahme zu bewegen, die systematisch weniger an politischen Beteiligungsprozessen teilnehmen. Wichtiges Ziel war es neue Wege der Erreichbarkeit zu finden, um benachteiligte oder zur Radikalisierung neigende Teile der Bevölkerung zu erreichen.
Menschen aus ihren Echokammern im Internet zu bekommen ist ein großes Problem der modernen Gesellschaft und Politik, da diese Bürger und Bürgerinnen im Internet vor Allem in ihrer Meinung gestärkt und nicht hinterfragt werden. Was nicht passt oder in irgendeiner Form der eigenen Auffassung entgegenspricht wird ignoriert oder erscheint gar nicht erst im Sichtfeld der Person. Dies führt dazu, dass sich die Bürger und Bürgerinnen immer mehr in ihrer Meinung gestärkt sehen und sie auch immer weniger hinterfragen und prüfen. Unserer Erfahrung nach, ist der einzige Weg dieses Problem zu bekämpfen und die Leute dazu zu bewegen und zu motivieren sich kritisch mit persönlichen, gesellschaftlichen und politischen Problemen auseinander zu setzen, sie in einen offenen und kritischen Diskurs einzuladen, wo sie sich nicht hinter ihrem Bildschirm und den Halbwahrheiten semi-legitimer Berichterstattung verstecken können.
Während der Fokus auf dem Endproduckt, den deliberativen Workshops, lag, war es auch ein wichtiger Ansatz dieses Projekts mehr über die Tätigkeiten von politisch entfremdeten Leuten im Internet zu erfahren und zu erforschen wie man diese am besten kontaktiert und zu ihnen in ihre Echokammer durchdringt. Über die Genaueren Ansätze und angewendeten Methoden berichten wir auf den folgenden Seiten dieses Berichts.
3 Ansätze
3.1 Ernsthaft argumentieren und Populismus
Wir treten den Teilnehmern in unseren Workshops als Bürger(innen) entgegen, die fähig sind, zusammen mit uns die Grundwerte und fundamentalen Probleme unserer Gesellschaft zu diskutieren und zu überdenken. Genau weil man Teilnehmern sehr ernst nimmt, fühlen diese sich manchmal fast „gezwungen“ sich seriös oder ernsthaft zu benehmen. Ein klarer deliberativer Kontext lädt fast Zwangshaft zum Reflektieren und Argumentieren ein und ermöglicht es nicht-fundierte Vorurteile hinter sich zu lassen (Siehe auch: Blokland 1997, 2009 und https://socialscienceworks.org/2017/05/taking-people-seriously-a-new-approach-for-countering-populism-and-furthering-integration/).
Es gibt sehr viele Projekte und Ideen von Organisationen aus dem privaten und öffentlichen Raum um politikverdrossene Bürger und Bürgerinnen wieder in die Gesellschaft zu integrieren. Manche von diesen Ansätzen sind erfolgreich und leisten gute Arbeit. Gelegentlich ist es jedoch auch der Fall, dass Bürger sich stigmatisiert, angegriffen und nicht ernst genommen fühlen. Dies verstärkt dann oft den Prozess der Entfremdung.
Ein fundamentales Problem des Populismus ist, dass die betroffenen Bürger und Bürgerinnen sich nicht vertreten und respektiert fühlen durch die politischen, gesellschaftlichen und medialen Institutionen. In viele existierenden Projekten, um diese Bürger und Bürgerinnen wieder für die Demokratie zu gewinnen, werden die betroffenen vor allem als Menschen mit sozialen, psychologischen, Bildungs- oder Arbeitsmarktproblemen verstanden. Impliziert wird, dass die Betroffenen kognitiv und emotional nicht in der Lage sind, über die Formen des Zusammenlebens zu diskutieren. Dieser Paternalismus und die Geringschätzung wird rasch von den Betroffenen wahrgenommen und verstärkt das Gefühl als Bürger nicht ernst genommen zu werden. Gerade, weil in den Projekten von Social Science Works Menschen als Individuen respektiert werden, welche fähig sind rational über komplexe gesellschaftliche Probleme nachdenken und argumentieren zu können, respektieren die Teilnehmer sozialwissenschaftliche Erläuterungen und sehen ein, warum bestimmte Positionen unhaltbar oder kontraproduktiv sind.
Wir sehen also unsere Aufgabe darin, unseren akademischen Hintergrund komplementär zu den bereits bestehenden Programmen in den Dienst der Demokratie zu stellen. Als Sozial- und Politikwissenschaftler liegt unsere Stärke darin, gemeinsam mit den Teilnehmern Argumente für eine gleichberechtigte, emanzipierte, freie Zivilgesellschaft und Demokratie zu konstruieren.
3.2 Deliberation
Der deliberative Ansatz den wir in unseren Workshops benutzen beruht auf den Theorien verschiedener Intellektueller, Philosophen, Politologen und Soziologen wie John Stuart Mill (1859), Karl Mannheim (1940), Isaiah Berlin (1988), Jürgen Habermas (1981), Robert Dahl (1950, 1970, 1989), James Fishkin (1995, 2009) und Robert Putnam (1993, 2000). Diese argumentieren im groben, dass Ideen und Werte nur lebendig bleiben, wenn wir sie im freien Dialog besprechen. Eine Demokratie, die es vernachlässigt über seine grundlegendsten Werte zu diskutieren, kann nur schwer überleben.
Schon lange haben viele Demokratietheoretiker Deliberation als den Kern von demokratischer Praxis und florierender Zivilgesellschaft verstanden (vgl. Blokland 2011). Nach ihrer Ansicht ist Demokratie nicht nur das Abstimmen und die Beschlussfassung durch Mehrheiten. Politik bezieht sich auf das, was Menschen miteinander verbindet und was sie gemeinsam erreichen wollen. Neben einem nie endenden Kampf um knappe Ressourcen kann Politik ein gemeinsames Bestreben sein, um das Beste aus uns und unsere Gesellschaft zu machen. Demokratie kann auch ein Ausdruck von Gemeinschaft sein, eine Gemeinschaft die vor allem durch demokratische Partizipation und Deliberation lebendig bleibt. Diese Beteiligung kann Bürgern helfen ihren persönlichen Horizont zu erweitern, öffentliche Werte und Verantwortung zu entdecken und zusammen mit anderen eine Definition der gemeinsamen Interessen zu formulieren.
Demokratie ist auch, oder vielleicht vor allem, ein Lernprozess, in dem Menschen in einer informierten Diskussion Werte, Ansichten, Ideen und Interessen besprechen und ihre wirklichen Präferenzen entdecken. Und das ist mehr als ein utopischer Wunsch: es ist Tatsache, dass nur durch konkreten und kontextgebundenen Austausch Menschen ihre echten Vorlieben entdecken und bestimmen können (Lindblom 1990). Vor allem in Gesellschaften im Wandel ist der deliberative Austausch essential. Entwicklungen wie Migration, Globalisierung und Technische Innovationen verursachen schnelle, substanzielle Veränderungen im gesellschaftlichen Leben und in den gesellschaftlichen Strukturen. Bürger und Bürgerinnen können sich dadurch verloren, abgehängt und fremd in ihrer Heimat fühlen. Eine gesellschaftliche Kultur, in der es eine Norm ist sich mit gesellschaftlichen Themen konstruktiv auseinander zu setzen und deliberativen Austausch pflegt, kann Lösungen finden, Ängste beseitigen und zusammen die Zukunft gestalten.
3.3 James Fishkin
Ein inspirierendes Beispiel ist das Werk von James Fishkin, Direktor des Zentrums für Deliberative Demokratie an der Stanford University. Er entwickelte 1988 die Deliberative Polling Methode zur öffentlichen Anhörung und Diskussion. Die Methode ist seit den achtziger Jahren in mehr als 70 deliberativen Projekte in 24 Ländern angewendet geworden (darunter Japan, China, Mongolei, Argentinien, Polen, Großbritannien, Ungarn, Bulgarien, USA, Korea, Ghana und die Europäischen Union, nicht aber in Deutschland). Die Themen reichten von Gesundheitsversorgung, Stadtentwicklung, Energie- und Umweltpolitik, Schaffung von Arbeitsplätzen, Wahlrecht für Einwanderer, Rechte und Pflichten der Bürger, bis zur Diskussion über die Zukunft der Europäischen Union.
Deliberatives Polling versammelt eine repräsentative Stichprobe von Einzelpersonen, um über drückende politische Themen zu diskutieren. Auf der Grundlage von Fragen, die sie in Kleingruppen unter Leitung von ausgebildeten Moderatoren entwickeln, treten Bürger während eines Wochenendes in Dialog mit konkurrierenden Experten und Politikern. Teile der deliberativen Ereignisse sind oft im Fernsehen zu folgen und/oder werden durch soziale Medien und andere Medien übertragen.
Die Ergebnisse der deliberativen Wochenenden sind ermutigend. “Jedes Mal gab es dramatische, statistisch signifikante Veränderungen in den Ansichten”, notiert Fishkin. Bruce Ackermann und Fishkin (2015) schreiben: “Wir finden statistisch signifikante Änderungen in der Bottom-Line der Urteile in mehr als zwei Drittel der Befragten. Es gibt auch große Gewinne in Wissen und in gegenseitigem Verständnis. Projekt für Projekt können wir zeigen, dass die Teilnehmer sich auf Substanz und nicht auf Sprücheklopferei konzentrieren.”
Ein Projekt in Nordirland mit Protestanten und Katholiken, die ihre lokalen Schulen diskutierten, zeigte zum Beispiel, dass “auch in tief gespaltenen Gesellschaften. Massenberatung… hilfreich sein kann” (Fishkin, Luskin, O’Flynn und Russell, 2012: 133). Es stellte sich heraus, dass Normalbürger “tatsächlich weniger hartnäckig gegenteilige Ansichten haben als die Eliten, die für sie sprechen. Dieser Dialog reduziert zudem den Gehalt an gegenseitiger Feindseligkeit und Misstrauen. Es reduziert auch das Risiko, dass Bürger von politischen Hardlinern an der Nase herumgeführt werden“ (2012: 117).
3.4 Deliberation in unseren Workshops
In unseren Deliberativen Workshops erforschen wir gemeinsam mit den Teilnehmern was ihre Sicht auf die gesellschaftliche Lage ist, welche Probleme, Herausförderungen, Chancen und Zukunftsperspektiven es gibt und wie diese zusammenhängen. Wir formulieren dazu hauptsächlich Fragen, es handelt sich nicht um Frontalunterricht. Die Fragen und Diskussionen nehmen dann oft von selber ihren Lauf und die Teilnehmer entdecken wie sehr verschiedene Themen verknüpft sind und was die unterliegenden Ansätze und Probleme eigentlich sind.
In unseren Workshops erklären wir den Teilnehmern zuerst wer wir sind, warum wir das Projekt durchführen, wie wir zusammen arbeiten möchten und was der Tagesablauf ist. Dies beseitig schon die ersten Ängste. Wir fragen die Teilnehmer sich kurz vor zu stellen und fragen ob es Themen gibt die sie besonders gerne besprechen möchten oder als besonders relevant ansehen. Die Fragen die wir danach formulieren um die Diskussionen anzustoßen sind einfach: Welche gesellschaftlichen Entwicklungen nehmen Sie wahr, die für Sie bedeutsam sind? Gibt es gesellschaftliche Entwicklungen die Ihnen Angst machen? Fühlen Sie sich durch bestimmte gesellschaftliche Entwicklungen bedroht? Wie sollte die Gesellschaft sich nach Ihren Meinung weiter entwickeln? Welche Kennzeichen hat ihre ideale Gesellschaft? Was vermissen sie in der gegenwärtigen Gesellschaft? Was funktioniert, Ihrer Meinung nach, in unserer Gesellschaft gut? Fühlen sie sich durch die existierenden politischen Parteien repräsentiert? Warum (nicht)? Fühlen sie sich von der Presse vertreten? Warum (nicht)?
Die Teilnehmer sollten sich weiter wohl, respektiert, sicher und nicht angegriffen fühlen. Wir vermeiden Stigmatisierungen und Gegenüberstellungen, wir lassen den Teilnehmern viel Raum sich zu äußern und mit einander ins Gespräch zu kommen, wir nehmen uns die Zeit und zeigen Geduld. Es ist nicht notwendig und nicht produktiv jede alternative Auffassung unmittelbar zu parieren, manchmal machen Teilnehmer das nach einiger Zeit selber. Es dauert meistens ein wenig, bis sich die Leute sicher genug fühlen um sich ehrlich und konstruktiv zu äußern. Man will oft erst ein Gefühl für die Menschen und die Gruppendynamik bekommen, bevor man sagt was einem wirklich am Herzen liegt. Wir trinken gemeinsam Kaffee, essen zusammen und zeigen Gastfreundschaft um die Bürger auf einer persönlichen Ebene kennen zu lernen und Vertrauen aufzubauen. Unserer Erfahrung nach, haben die Teilnehmer nach einer kleinen Eingewöhnungsphase dann auch richtig Spaß an den Workshops und sind mit viel Motivation dabei.
Wir wollen zeigen und zusammen erfahren, dass es möglich, nützlich, aufklärend und auch unterhaltsam ist, mit anderen Bürgern grundlegende Werte, Ideen und Perspektiven zu diskutieren. Die Workshops sind eine allgemeine Erfahrung in Toleranz, Reflexion, gesellschaftlicher und politischer Teilhabe, die hoffentlich den Weg für weiteren deliberativen Austauschen ebnen wird.
3.5 Was kann man an einem Tag der Deliberation erreichen?
Menschen ändern ihre Meinung nicht leicht, und wenn sie es tun, geben sie es meistens nicht gerne zu. Deshalb ist es recht schwer herauszufinden inwiefern Teilnehmer unserer Workshops sich geöffnet haben und zu anderen oder neuen Ansichten gekommen sind. Man kann die Leute auch nicht einfach am Ende des Workshops fragen, da das Besprochene oft erst noch verarbeitet werden muss, sie nicht darüber reden wollen oder die Leute die Veränderungen manchmal gar nicht bemerken, aber graduell verändertes Verhalten in ihrem täglichen Leben an den Tag legen.
Was kann man also von so einem Workshop erwarten? Zu aller Erst, wollen wir zeigen und erleben, dass es möglich, nützlich, aufschlussreich und manchmal auch lustig seien kann sich mit anderen Bürgern über solche fundamentalen Themen zu diskutieren. Wir wollen Themen, über die die Leute eine Meinung haben und die die Menschen beschäftigen, aber für die es oft keinen Raum und keine Zeit für ein aufschlussreiches, konstruktives Gespräch gibt, einen Platz geben. Die Erfahrung in den Workshops ebnet dann hoffentlich den Weg für weitere demokratische Beteiligung und weiteren deliberative Austausch in der Zukunft. Selbst wenn nicht alle Themen verstanden wurden oder einen Platz in der Deliberationsrunde gefunden haben, nehmen die Teilnehmer die Erfahrung mit, dass es möglich und sinnvoll ist sich über diese Themen und in solch einer Form mit seinen Mitbürgern auszutauschen. Diese Einsicht ist sehr wichtig für unser demokratisches gesellschaftliches Zusammenleben. Im schlimmsten Fall, können wir hoffen, dass die Teilnehmer ihre Auffassungen etwas hinterfragen und mit dem Besprochenen reflektieren.
Selbstverständlich sind die Wirkungen von Deliberation größer, mit wiederholter Teilnahme an Deliberativen Events, und dies nicht nur im politischen Raum. Am Ende des Tages sollte es sich um eine demokratische Kultur handeln die die ganze Gesellschaft prägt. Eine (noch) nicht zureichend entwickelte demokratische Kultur kann man nicht in einem Tag aufbauen (Dahl and Lindblom 1953; Wolin 1960; Williams 1991; Duncan and Lukes 1963; Davis 1994; Bay 1965; Pateman 1970; Dahl, 1985, 1998; Putnam 1993). Dies benötigt Zeit und motivierte Bürger.
4 Kontaktaufnahme und Rekrutierung
4.1 Suche nach möglichen Teilnehmern
Um Bürger in unsere Workshops zu bekommen und eine aufschlussreiche Deliberation zu herzustellen haben wir für dieses Projekt das Internet und dort hauptsächlich Facebook als Rekrutierungs-Plattform benutzt (genauere Erläuterung der Methodik in §6) . Wie vorher schon erläutert, wollten wir neben den Workshops als Endprodukt auch ein Gefühl für die Dynamik und den Verhaltensweisen der Echokammern und politisch entfremdeten Leuten bekommen.
Angefangen hat unsere Rekrutierung mit der Recherche nach Foren, Chaträumen und Facebook Posts mit Mensch- und Demokratiefeindlichen Inhalten. Im Internet fühlen sich viele Leute sicherer, anonymer und distanzierter als im realen Leben. Dies führt dazu, dass sie eher ihre Meinung zu bestimmten Themen sagen, und diese dann oft auf eine ungefilterte, polarisierende und Teils aggressive Weise veröffentlichen. Deswegen war es nicht sehr schwer Bürger, die Zeichen der Politikverdrossenheit und/oder Demokratie- und Menschenfeindlichkeit aufweisen, ausfindig zu machen. Weil diese Menschen Teil einer bestimmten, unter anderem durch die Algorithmen von Google und Facebook verursachten, Echo-Kammer sind, treten sie selten in Kontakt mit alternativen Ansichten. Weil die Betroffenen sich aber bemüht haben ihre Meinungen zu veröffentlichen, kann man davon ausgehen, dass sie auf ihre eigene Weise Multiplikatoren sind, die auch ein generelles Interesse daran haben Meinungen auszutauschen, und vor allem Ihre Meinung zu äußern. Wir haben diese Menschen direkt kontaktiert und sie eingeladen gemeinsam mit uns und einer kleinen Gruppe weiterer Teilnehmer über ihre Ansichten zu deliberieren.
Wie das praktisch funktioniert, können wir mit einigen Beispielen erläutern. Die Webseite https://www.facebook.com/afd.brandenburg/ hat 19.114 „likes“. Die auf dieser Facebookseite veröffentlichen oder geteilten Artikel haben sehr viele Kommentare von Menschen, die selber Facebookseiten haben. Herrn X aus Finsterbergen zum Beispiel kann man über den Facebook-Messenger einfach eine Nachricht schicken und für ein Telefonat einladen. Über die „Demokratiesimulanten von SPD und Bündnis 90/Die Grünen“ äußert er auf der AFD-seite die Meinung: „Diese Verbrecher gehören abgesetzt und eingesperrt“ (5. April 2017). Seine eigene Facebookseite zeigt Demokratiefeindlichkeit, Fremdenfeindlichkeit, DDR-Nostalgie, und allgemeine Frustration und Wut. Gleichzeitig ist Herr X keineswegs apathisch oder desinteressiert: er liest viele Berichte (wenngleich immer aus derselben Echokammer) und hat offensichtlich ein großes Bedürfnis, sich auszusprechen. Dazu hat er viele „Freunde“ auf Facebook, welche man auch kontaktieren kann. Wie man von Freunden erwarten kann, haben viele ähnliche Auffassungen wie Herr X (Teil der Facebook Echokammer). Auch findet man auf diese Weise Brennpunkte, wie z.B. populäre Web- und Facebook-Seiten von Demokratie oder Menschenfeindlichkeit.
Der auf YouTube sehr aktive Bernd F.K. ist ein Beispiel. Er erklärt in einem seiner YouTube-Beiträge „Die rasende Überfremdung mit Fakten belegt: so schnell werden wir zur Minderheit im eigenen Land“ https://www.youtube.com/watch?v=PE0jduTNMrg. 21 Menschen haben zu diesem Video ihre Meinung geschrieben. „Erblasser“ schreibt: „Danke für die Mühe. Gut gemacht. Es kommt hierbei auch überhaupt nicht auf Kommastellen und Wolkenbildung an. Die Tendenz ist so massiv, dass wir das eben schon nicht abwehren können. Es fragt sich doch nur noch, ob wir halt übernommen werden oder ob es Bürgerkrieg gibt. Ich tippe auf eine Mischung daraus. Die Angelsachsen und ihre zionistischen Hintermänner haben die Lunte an den Sprengsatz in Gestalt der Migranten-Massen doch längst gelegt“.
Erblasser hat den YouTube Kanal SchrangTV abonniert, welcher ähnliches Material Veröffentlicht. SchrangTV hat unter anderem den Beitrag „Ehemaliger n-tv Moderator packt aus: Politik veruntreut immer mehr das Geld der Bürger“ veröffentlicht. 70.986 Menschen haben dieses Video gesehen, und 293 haben es kommentiert. Herr Y meint: „Parteien sind scheiße (siehe Rundfunkgebühr). Wir brauchen in erster Linie Personen, denn wir sind ja selbst Personen. Die Sachen sind dazu da, um uns zu dienen, aber dazu müssen wir uns untereinander einigen. und dabei darf niemand überstimmt werden, denn was nützen uns überstimmte und unzufriedene Leute.“
Herr Y „liked“ wiederum das deutsche Nachrichtenmagazin „Zuerst!“ (www.zuerst.de). Der Aufsatz „Künftig keine Kopftücher und abnormale Bärte mehr: China verhängt Anti-Islam-Gesetz über Uiguren-Provinz“ lässt Leserkommentare zu. Hier kommentiert ein Herr Z mit: „Die Chinesen wissen, dass die schleichende Islamisierung kein Zufall ist, sondern ein Akt machtstrategischer Invasion, durch Unterwanderung, Ausbreitung und Übernahme anderer Kulturen.” Herr Z liest auch www.preussenspiegel-online.de wo man weitere polarisierende Artikel findet, mit Kommentaren von Bürgern die einen auf weitere Foren und Nachrichten Seiten bringen. Die Vernetztheit des Internets erlaubt, von einer politikverdrossenen Person, oder Personengruppierung zur nächsten zu gelangen und so systematisch Personen zu finden, die sich verdrängt fühlen oder anderweitig in schwer belegbare Weltbilder abdriften.
4.2 Einladung von 1300 Brandenburgern über Facebook Messenger
Wir haben auf die oben beschriebene Weise mehr als 1300 Profile von Menschen, die in Brandenburg leben und auf Internetseiten Menschen- oder Demokratiefeindliche Meinungen veröffentlicht haben, gesammelt. Wir haben ein Excel Dokument gefertigt, mit allen Account-Namen, Wohnorten und Facebook Links. Diese Informationen sind frei auf den jeweiligen Profilen verfügbar. Nahezu alle diese Menschen wurden von uns kontaktiert (nur wenige wurden ausgelassen, wenn ihr Wohnort zu weit von unseren Durchführungsorten entfernt war und die Teilnahme sehr unwahrscheinlich wirkte). Wir haben Frankfurt/Oder und Cottbus als größere, urbane Gebiete gewählt, da diese weit genug voneinander entfernt sind, um eine möglichst große Zahl potentieller Teilnehmer zu kontaktieren. Etwa 400 Menschen in Cottbus und 600 Menschen in Frankfurt/Oder, sowie 300 im Umland, wurden kontaktiert.
Da wir die meisten Bürger und Bürgerinnen in Facebook Gruppen und durch Kommentare an Videos und geteilten Artikeln auf Facebook ausfindig gemacht haben, haben wir hauptsächlich mit Facebook-Messenger gearbeitet und die Leute, nach einer kurzen Studie ihrer Aktivität und ihres persönlichen Profils, direkt angeschrieben. Hierzu wurden von uns verschiedene Profile genutzt. Auch wenn wir Anfangs zurückhaltend gegenüber der Verwendung von unseren persönlichen Profilen und Daten waren, musste dies geschehen, um authentisch zu Wirken. Ein Profil das kaum Aktivität, Freunde, Fotos und andere Vernetzungen vorzuweisen hat, ist sehr suspekt, und kann leicht als Fake oder Betrug abgeschrieben werden. Um überhaupt eine Chance zu haben zu den Leuten in ihre Echokammer durchzudringen, mussten wir kompetent, authentisch und „echt“ erscheinen, um das Vertrauen der Leute nicht gleich beim Anblick unseres Profils zu verlieren.
Die Antwortrate aller angeschriebenen Personen war, wie erwartet, sehr niedrig. Es gibt verschiedene Gründe hierfür. Als Hauptgrund haben wir die Sicherheitsfunktion der Facebook-Plattform ausgemacht. Facebook beschützt das Netzwerk und die Echokammer von jedem Nutzer. In der Praxis bedeutet das, dass Nachrichten von Social Science Works und anderen mit der Person nicht vernetzten Profilen in eine Art „Spam“ Ordner gelangen. Der Empfänger bemerkt dies aber meist nicht, da der Ordner aktiv aufgesucht werden muss um die Nachricht überhaupt zu sehen. Wenn ein Facebook Nutzer diesen Ordner Aufsucht, muss er dann entscheiden ob er diese Nachricht von einem Unbekannten „akzeptiert“ oder nicht, bevor er sie überhaupt zu lesen bekommt. Da viele Menschen diesen Ordner sehr selten aufrufen, oder überhaupt nicht von ihm Wissen, und dann eventuell die Nachricht einfach ablehnen oder ignorieren, ist es sehr schwer von Leuten außerhalb seines persönlichen Netzwerks überhaupt bemerkt zu werden.
Im Durchschnitt haben etwa 10% der Kontaktierten die Nachricht „akzeptiert“ und gelesen. Etwa ein Drittel dieser knapp 150 Personen hat daraufhin auf unsere Nachricht geantwortet, wobei etwa die Hälfte dieser Antworten sarkastisch oder aggressiv in ihrer Formulierung waren. Nichtsdestotrotz hat Social Science Works versucht diese Menschen in eine Diskussion zu verwickeln. Die andere Hälfte der Antworten war seriöser und aufgeschlossener. Die Leute konnten im Allgemeinen nach einem kurzen Austausch von einer Teilnahme an einem unser Deliberativen Events überzeugt werden. Da Menschen gewöhnlicher Weise mit Gleichgesinnten verbunden sind, haben wir all jene die wir schon überzeugen konnten, und die zugestimmt haben, dazu ermutigt einen oder zwei Freunde oder Bekannte zu der Veranstaltung mitzubringen. Im Großteil der Fälle wurde diesem Vorschlag zugestimmt.
4.3 Alternative Strategien
Aufgrund der niedrigen Antwortrate über Facebook-Direktnachrichten, haben wir mit weiteren Strategien experimentiert um mehr Leute von unseren Ideen zu überzeugen und weitere potenzielle Workshop Teilnehmer zu gewinnen. Da das Projekt sicher auch daran interessiert ist, Soziale Medien als ein Instrument der Kontaktaufnahme zu erproben, haben wir versucht Administratoren von jenen Facebook-Seiten und Foren zu kontaktieren, die wir genutzt haben um Teilnehmer zu finden (z.B. Identitäre Bewegung Berlin–Brandenburg, Ein Prozent für unser Land oder Zukunft Heimat Brandenburg). In unseren Nachrichten fragten wir die Administratoren, ob sie unsere Veranstaltung auf ihrer Seite teilen könnten und haben auch sie selbst dazu eingeladen teil zu nehmen. Leider wurden keine unserer Nachrichten beantwortet.
Darüber hinaus haben wir versucht direkt mit Menschen in Kontakt zu treten. Wir haben angefangen auf auffällige Kommentare zu Videos, Artikeln oder anderer Posts in den Foren zu reagieren und selber zu kommentieren und zu antworten. In unseren Kommentaren sind wir auf die Themen eingegangen und haben die Menschen eingeladen an einem unser deliberativen Treffen teilzunehmen („Das ist eine interessante Perspektive, gerne möchten wir weiter darüber mit Ihnen reden. Bitte öffnen Sie Ihren Messenger für eine Einladung dazu“). Leider wird alles was stört und anderer Meinung ist schnell von den Administratoren der Foren und Seiten entfernt und blockiert.
Wir haben ähnliche Erfahrungen wie die durch Timo Reinfrank der Amadeu Antonio Stiftung beschrieben gemacht:
„Jeder, der sich in den Sozialen Netzwerken dem entgegenstellt und versucht, Fragen zu diskutieren, wird innerhalb von wenigen Stunden beschimpft, beleidigt und bedroht. Counterspeech, sogenannte Gegenrede, hat sich oft als wirkungslos erwiesen. Argumente, Zahlen oder Hinweise auf wissenschaftliche Forschungsergebnisse führen oft eher zum Beharren auf Positionen oder gar zu weiterer Radikalisierung und einer Zementierung des jeweiligen Weltbildes.“
Darüber hinaus haben wir Informationen von den Profilen von Nutzern genutzt, um Kontaktinformationen zu erhalten. Wir haben etwa 150 Profile im Detail verfolgt (über Social Media-Seiten wie Facebook, Twitter, persönliche Webseiten, etc.). Diese intensive Online-Recherche war vergleichsweise zeitaufwendig. Wir haben auf diese Weise jedoch neun direkte Kontakte ausfindig gemacht (zumeist E-Mail-Adressen). Diese Personen wurden mit einer persönlichen E-Mail zur Veranstaltung eingeladen, um die Facebook Messenger Hürde zu umgehen. Diese Methode war bei Weitem die effektivste und hatte eine Antwortrate von 33% (zum Vergleich öffnen nur etwa 10 % der Rezipienten von Werbeangeboten die erhaltene Reklame).
Das Problem mit dieser Methode ist allerdings, dass es nur wenige Menschen gibt, die direkte Kontaktinformationen online zur Verfügung stellen (insbesondere in Deutschland, wo Privatsphäre für viele Menschen sehr wichtig ist). Deswegen findet man auf den Facebook Profilen der Leute keine andere kontakt Möglichkeit, wie z.B. eine Telefonnummer oder eine E-Mailadresse, und ist auf Facebook Messanger angewiesen.
Als weitere Methode haben wir auf Facebook Events, sowie Flyer (Siehe Anhang) für die Workshops in Cottbus und Frankfurt/Oder erstellt, und diese mit Hilfe einer Facebook Kampagne beworben. Mit diesem Mittel kann man sein Event gezielt bei Leuten mit ausgewählten Charakteristiken und an bestimmten geographischen Orten bewerben. Diese Werbungen ermöglichte es, dass die Flyer und die Events von insgesamt 3352 Personen gelesen wurden.
Zum Schluss haben wir versucht Teilnehmer durch direkten Kontakt zu rekrutieren. In Zusammenarbeit mit vier Student(inn)en der Alice Salomon Hochschule haben wir zuerst einen durch die AfD organisierte Stammtisch für Bürger(innen) in Frankfurt/Oder besucht und versucht uns mit den dort Anwesenden auseinanderzusetzen und für ein Treffen einzuladen. Auch die AfD war aber wenig erfolgreich in der Rekrutierung von Teilnehmern für ihren Stammtisch, wie wir sehen konnten und wie uns vor Ort berichtet wurde, und deshalb erschien diese Strategie nicht sehr aussichtsreich.
Zweitens haben wir eine kurze Umfrage in einem Zug im Pendelverkehr zwischen Berlin und Cottbus durchgeführt. Ziel war es dabei Menschen zu finden, die sowohl Interesse haben über politische Themen zu sprechen und in das Profil unserer Veranstaltung passen. Obwohl viele dazu bereit waren unseren Fragebogen auszufüllen (19 Menschen), gab es nur eine Person, die uns auch persönliche Kontaktdaten zur Verfügung stellen wollte. Diese Person haben wir auch mehrmals für ein Treffen in Cottbus eingeladen (er kam jedoch nicht). Die Antworten auf die fünf Fragen offenbaren schnell eine Tendenz zum Populismus: „Ich habe Vertrauen darin, dass die Medien in Deutschland fair und ausgewogen über aktuelle Probleme berichten.“; „Kulturelle Vielfalt gefährdet den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Deutschland“, usw.
5 Die Workshops
Unsere deliberativen Workshops fanden am 2. September 2017 in Cottbus und am 23. September in Frankfurt Oder statt. Insgesamt haben 7 Menschen diese Events besucht und mit uns jeweils 5 Stunden über soziale und politische Probleme gesprochen. Leider waren es nur 7, obwohl uns vorher viel mehr Bürger zugesagt hatten. Persönliche Probleme oder Termin Kollisionen waren meistens das Problem. Obwohl die Anzahl der Teilnehmer gering war, war es möglich ein Bild von wichtigen Themen zu formen, die diese Bürger beschäftigen. Hilfreich war ebenfalls, dass die Teilnehmer einen Fragebogen mit fundamentalen sozialen und politischen Fragen ausgefüllt haben. Diese Fragebögen wurden auch von einigen kontaktierten Personen ausgefüllt, die es am Ende nicht geschafft haben zu den eigentlichen Workshops zu kommen, uns aber trotzdem ihre Meinungen und Ideen mitteilen wollten. Zwei Personen haben zudem ihre Ansichten auf schriftlichem Weg mitgeteilt.
5.1 Ablauf der Workshops
Der Ablauf unserer Workshops ist eigentlich immer ähnlich, aber auch sehr flexibel, da wir selber gar nicht so viel reden und „belehren“ wollen, sondern nur Diskussionen anregen wollen und versuchen die Teilnehmer dazu einzuladen selber ihre Ideen und Annahmen zu hinterfragen. Die Workshops in Cottbus und Frankfurt Oder begannen mit einer kurzen Einführung in die Arbeiten von Social Science Works, der Vorstellung der Teilnehmer und einer Erläuterung unseres Projekts. Danach gab es den Raum für Problemäußerungen und die Diskussion dieser. Wenn die Teilnehmer anfangs etwas zurückhaltender waren, haben wir die Partizipation angekurbelt.
Die Hauptthemen die wir besprechen wollten haben wir im vorhergehenden Text bereits erwähnt: Welche gesellschaftlichen Entwicklungen, die für Sie bedeutsam sind, nehmen Sie wahr? Gibt es gesellschaftliche Entwicklungen die Sie irritieren, bedrücken oder deprimieren? Fühlen Sie sich durch bestimmte gesellschaftliche Entwicklungen bedroht? Wie sollte die Gesellschaft sich nach Ihrer Meinung weiter entwickeln? Welche Kennzeichen hat ihre ideale Gesellschaft? Was vermissen sie in der gegenwärtigen Gesellschaft? Was funktioniert Ihrer Meinung nach in unserer Gesellschaft gut? Fühlen sie sich repräsentiert durch die existierenden politischen Parteien und das existierende politisches System? Fühlen sie sich repräsentiert durch die Presse?
Nach der Besprechung verschiedener gesellschaftlich relevanter Themen die in Antwort auf diese Fragen formuliert wurden, gab es ein gemeinsames Mittagessen. Danach wurden weitere Themen besprochen die noch als wichtig erachtet wurden, bevor es eine kurze Zusammenfassung gab und die Workshops nach ca. 5 Stunden vorbei waren.
In unserem Workshop in Cottbus hatten wir 4 Teilnehmer. Ein Paar, ca. 50 Jahre alt und in der Pflege auf Mindestlohn Basis tätig, einen 60 Jährigen Harz 4 Empfänger, verheiratet mit einer polnischen Frau und teils in Polen wohnend, und ein ca. 40-Jähriger, sehr verschlossener und verärgerter Mann. In Frankfurt Oder waren es 3 Teilnehmer. Eine 22 Jährige Arbeitslose, eine ca. 50 Jährige Straßenbahnfahrerin und eine ehemalige Ingenieurin.
5.2 Wie die Teilnehmer die geringe Beteiligung erklären
Nach einer kurzen Einführung in den Zweck dieser deliberationsrunden und unserer Ziele und Vorstellungen haben wir zuerst die geringe Beteiligung der Workshops angesprochen um Gründe und Lösungen zu erforschen.
„..das wird daran liegen, dass die Leute resigniert haben und auch vermuten, dass bei Ihrer Veranstaltung dann eine Hexenjagt auf anders Denkende veranstaltet wird. In den letzten Tagen ist durch die Presse gegangen, dass selbst schon kleinste Kritik als Ausländerhass vor dem Staatsanwalt landen kann. Die alte DDR läßt grüßen!“
Übereinstimmend wurden Ängste der Stigmatisierung und Belehrung durch liberale Vereinigungen und ihrer Agenda, die nix von den „wahren Problemen“ in Deutschland mitbekommen, genannt. Es gab Skepsis gegenüber der Legitimität und dem Hintergrund der Veranstaltungen: „Warum möchte das Land Brandenburg wissen was wir denken? Bis jetzt hat niemandem das interessiert.“
„Ich lehne ab… Denken Sie im ernst, dass was wir als Volk der Merkel erklären und versuchen bei zu bringen im allgemeinen etwas an der jetzigen Situation ändern könnte… Der Flüchtlingsstrom nimmt eh kein Ende… Wenn Sie mal die Nachrichten verfolgen und sehen was die Merkel und die Politiker dem deutschen Volke mit der Massen Einwanderung antun… Bleibt es nicht aus, dass wir als deutsches Volk etwas dagegen tun müssen.. Selbst meine Frau ist fast Opfer eines sexuellen Übergriffes geworden… und das lass ich als stolzer Deutscher Bürger nicht zu…“
Interessanterweise wurden aber auch die Probleme der Echokammer angesprochen, die es verhindern, dass potenzielle Teilnehmer von den Events erfahren oder sich damit auseinandersetzen. Die Teilnehmer argumentierten, dass vielen Leuten die Anonymität im Internet wichtig sei, welche in einer offenen Deliberation nicht gegeben ist. Des Weitern sei es einfacher seine Meinung im Internet zu verbreiten und in seinen Echokammern positives Feedback zu erlangen.
Es handelt sich, kurzum, um Bürger(innen), die das Vertrauen in die etablierte Politik, die Presse und die Zivilgesellschaft verloren haben. Auch Social Science Works wird oft als Teil einer Gesellschaft, in der sich Politikverdrossene nicht respektiert, ernst genommen und aufgenommen fühlen, wahrgenommen. Darüber hinaus bezweifelt man stark ob es (noch) Sinn macht sich an politischen Diskussionen zu beteiligen: Es herrsch die Ansicht, dass niemand wirklich Interesse an diesen Personen hat und sich sowieso nichts ändern würde.
„Vorab möchte ich mich für die Einladung von Ihnen bedanken. Ich bin noch ein wenig unentschlossen, da Ich auch nicht jeden Tag solch ein Angebot bekomme. Bis wann würde die Gesprächsrunde gehen?… Ich vergaß zu fragen, ob es einen bestimmten Dresscode gibt?… ich muss Ihnen leider Mitteilen, das Ich aus Gesundheitlichen Problemen (PMS, Migräne) nicht kommen kann . Ich wünsche allen Beteiligten eine angenehme und informative Gesprächsrunde
Damit zusammenhängend hat man oft keinerlei Erfahrungen mit Bürgerbeteiligung gemacht und weißt nicht, was von solch einem Event zu erwarten sei. Man hat Angst, in der Öffentlichkeit über soziale und politische Themen zu sprechen und wegen seiner Meinungen anzuecken. Dazu, hat man, wie schon erwähnt, Angst als bildungsarm, dumm, extremistisch, als Rassist oder als Nazi wahrgenommen oder verurteilt zu werden. Alle Bürger(innen) die tatsächlich teilgenommen haben, haben trotzdem Interesse daran sich an solch einem Event erneut zu beteiligen.
5.3 Soziale Gerechtigkeit
„Veränderung des Stadtbildes und steigende Kriminalität durch Zuwanderung kulturfremder Kräfte in rasanter Form / soziale Ungerechtigkeit den Bürgern gegenüber bei gleichzeitiger Großzügigkeit den Eingewanderten gegenüber/ Verzerrung und einseitige Berichterstattung der Medien bei bestimmten Vorfällen im Bereich Kriminalität/ Gleichbleibend niedriges Lohnniveau in der Region, trotz rasant steigender Lebenshaltungskosten / Versprechen vor der Wahl von langweiligen Politikern die wieder nichts einhalten werden/ Desinteresse der Bevölkerung gegenüber Missständen nach dem Motto….können wir eh nicht ändern…/ Die Politik hat sich enorm vom Volk/Wähler entfernt…“
Die weiteren Themen der Diskussionsrunde waren die Ängste der Bürger, die Veränderung der Gesellschaft, Impressionen der Politik und den Parteien sowie Zukunftsvorstellungen für Deutschland. Die großen Themen waren die Flüchtlings Politik der Bundesregierung, Kriminalität/Sicherheit und soziale Ungerechtigkeit. Die Teilnehmer fühlten sich häufig missverstanden und bemängelten den gesellschaftlichen Zusammenhalt.
In Bezug auf soziale Gerechtigkeit hatten die Bürger(innen) in unseren Deliberations Runden manchmal das Gefühl, dass sie persönlich und materiell kaum Fortschritte seit der Widervereinigung gemacht haben oder sogar verarmt sind. Sie fühlen sich abgehängt, betrogen, allein gelassen, einsam, vergessen und missachtet. Vertrauen in die Politik und die Gesellschaft sowie Hoffnung auf Verbesserung gibt es kaum unter den Bürgern die an den Workshops Teilgenommen haben.
Dieses tiefe Gefühl nicht gehört und stigmatisiert zu werden, erklärt auch die dominante Meinung bei der Beantwortung unserer Fragebögen über die etablierte Presse: Man „stimmt überhaupt nicht zu“ mit der Aussage „Ich habe Vertrauen darin, dass die Medien in Deutschland fair und ausgewogen über aktuelle Probleme berichten.“ Dieses Misstrauen verstärkt selbstverständlich die Neigung, sich in der eigenen Echokammer festzusetzen und alle anderen Meinungen als „Fake News“ oder „Lügenpresse“ abzustempeln.
5.4 Migration und Flüchtlinge: Aber was ist mit uns?
„sie können mich mit nichts überzeugen da die Meinung die ich zum Thema Flüchtlinge habe, sicher, und da bin ich mir ganz sicher, nicht gehört werden will. Ich arbeite im Sicherheitsdienst und sehe somit was wirklich hinter den Kulissen passiert wie sich die tollen neuen Bürgern benehmen, noch dazu habe ich Verschwiegenheit zu bewahren… „
Migration und Flüchtlinge waren ein weiteres großes Thema in unserer Deliberation. Es gab unterschiedliche Ängste und Frustrationen die mal mehr und mal weniger mit dem eigentlichen Thema zusammenhängen. Zum einen befürchtet man, dass die eigene materielle Situation sich, wegen der Ansprüche und Belastung der Migranten auf den deutschen Sozialstaat, weiter verschlechtern könnte. Viele Bürger haben Angst, dass das Geld was jetzt für die Integration der Flüchtlinge bereitgestellt wird später bei Sozialleistungen wie der Rente oder der Ausbildung von Pflegekräften fehlen könnte.
Daran anknüpfend, hat man den Eindruck, dass Migranten viel mehr Hilfe vom Staat bekommen als Einheimische Bürger. Dies wird als ungerecht empfunden, da die Deutschen schließlich seit Jahren in die Kassen einzahlen, aber oft zu hören bekommen haben, dass es keine Mittel für bestimmte gewünschte Projekte gab. Erstaunt sehen diese Bürger jetzt zu wie Große Mengen an Geld für die Flüchtlinge bereitgestellt werden, welches für sie früher anscheinend nie existierte.
Eine weitere Befürchtung von den Teilnehmern war die Angst, dass Migranten völlig unterschiedliche Werte vertreten als die Deutschen, und sich deshalb nicht gut integrieren können. Wie sich diese Werte genau unterscheiden, konnte man aber, wenn nachgefragt wurde, selten bezeichnen. Das eigene Unvermögen diese Unterschiede zu erläutern, brachte einige Teilnehmer zu der Empfindung, dass man die Migranten eigentlich besser kennen sollte bevor man generell über sie Urteilt.
5.5 Kriminalität
„Ich war abends mit meinem Hund im Park spazieren. Es war dunkel. Plötzlich habe ich, nur 5 Meter von mir, zwei große weiße Augen gesehen und ein weißes Gebiss. Es war ein Afrikaner. Ich war zu Tode erschrocken. Was danach passiert ist? Na nichts. Aber ich war zu Tode Erschrocken.“
Zusammenhängend mit fehlender oder schleppender Integration, hat man große Angst vor Kriminalität und geht davon aus das die Kriminalität rasant gestiegen ist, vor allem sexuelle Gewalt gegenüber deutschen Frauen. Die Bürger mit denen wir in unseren Workshops kommunizierten, haben jedoch keine persönlichen Erfahrungen mit kriminellen Ausländern gemacht. Die Geschichten die man erzählt, sich einprägt und auf der die Meinungen basieren, stammen oft von Internetseiten, Chatforen und YouTube Videos. Da diese häufig nicht hinterfragt oder kontrolliert werden, entsteht vor allem ein falsches Gefühl für die Größe und Relevanz des Problems.
Als großes Problem wird zum Beispiel das Treffen von ausländischen Gruppen auf öffentlichen Plätzen angesehen. Obwohl diese eigentlich immer Gewaltfrei sind, ist es eine Veränderung mit der viele Bürger nicht zurechtkommen. Eine Teilnehmerin in Cottbus erzählte uns, dass Sie den zentralen Platz nebenan abends niemals ohne männliche Begleitung überqueren würde. Es gibt dort zu viele Araber und Afrikaner und die sind dort nicht umsonst, sondern um Frauen aufzulauern und sie zu belästigen. Sie beschrieb, dass alle Frauen die sie kennt, abends nicht mehr unbewaffnet auf die Straße gehen. Selber hatte sie Pfefferspray dabei. Sie war davon überzeugt, dass alle Araber Messer bei sich tragen. Auch in den Park geht sie nicht mehr: „Es gibt keine Deutschen mehr im Park.“
5.6 Einsamkeit
Für viele Leute mit denen wir uns auseinandergesetzt haben – im Internet oder persönlich – war Einsamkeit ein großes Thema. Man hat sich über ein schlechtes soziales Klima im alltäglichen Leben und bei der Arbeit geäußert und die abnehmende Solidarität innerhalb der Gesellschaft beklagt. Das gesellschaftliche Leben findet „nebeneinander und nicht miteinander“ statt. Man hat das Gefühl, „im Stich gelassen worden zu werden“. Es gibt keine ausreichende Familienhilfe; „man sollte sich wieder mehr um die Kinder kümmern als um die Ausländer“; „Man bräuchte mehr Familienhilfe“. Die Bürger hatten Sehnsucht nach Gemeinschaft; „es gibt keinen sozialen Zusammenhalt mehr“. Der polnischere Katholizismus auf der anderen Seite der Grenze von Cottbus und das sonntägliche in die Kirche gehen, z.B., wird positiv wahrgenommen, obwohl man selber nicht religiös ist. Auch die DDR würde manchmal als besser wahrgenommen als der jetzige Zustand, genau wegen der in der DDR erfahren sozialer Kohäsion und dem Umstand, dass man sich mehr leisten konnte. In der DDR hat man Nachbarn, Kollegen oder Freunde in einem Biergarten getroffen und zusammen ein Bier getrunken. Heute kommt das kaum noch vor, da die Leute wegziehen oder kaum noch Zeit haben, die Biergärten schließen und alles viel teurer geworden ist.
5.7 Politische Malaise
Im Allgemeinen gibt es ein Gefühl von politischem Unwohlsein. Dies ist ein hilfloses Gefühl bedrängt zu werden durch gesellschaftliche Prozesse und Strukturen die man einerseits kaum versteht und andererseits kaum beeinflussen kann. Individualisierung, Rationalisierung, Bürokratisierung, Ökonomisierung und Globalisierung treiben dieses Unbehagen, diese Hilflosigkeit, diesen Missmut und Frust voran, der ständig einen Ausweg und einen Sündenbock für die angestauten Gefühle sucht. Es fehlt ein Interpretationsschema mit dem man gesellschaftliche Änderungen verstehen und den Geschehnissen einen Sinn geben kann. Man hat Sorgen, aber keine konkreten politischen Streitpunkte die das Unbehagen mindern könnten (cf. Mills 1958). Die konkreten Streitpunkte die man übernimmt, wie z.B. die Ansichten gegenüber Flüchtlingen, haben oft wenig mit den fundamentalen Problemen mit denen diese Bürger konfrontiert sind zu tun. Es sind meistens nur Instrumentalisierte Probleme. Es fehlt ein Zukunftsglauben, ein Ziel oder ein Ideal das erreichbar erscheint und das die Gesellschaft zusammenhält und eine Richtung vorgibt. Die Bürger fühlen sich nicht in die Entscheidungsprozesse ihres Landes Integriert und bewegen sich deswegen von der etablierten Politik, Gesellschaft und den Medien weg. Diese Bürger laufen dann bei Bewegungen die auf diese Ängste bauen und den Leuten mit Sündenböcken und leeren Versprechen Besserung und Veränderung prophezeien, an. Sie haben das Gefühl das andere Akteure fundamentale Entscheidungen über Ihr Leben getroffen haben, ohne das man je eine Chance hatte diese Entscheidungen zu diskutieren oder zu beeinflussen.
Das erklärt teils auch die Frustration über Migranten: man hat das Gefühl dass vor allem die Bundeskanzlerin, aber auch die meisten andere deutschen Politiker, fundamentale Entscheidungen über ihren Leben getroffen haben (ab jetzt müssen Sie in einer multikulturellen Gesellschaft leben; ab jetzt gehört der Islam zu Deutschland), ohne das man diese Entscheidung diskutieren oder beeinflussen konnte. Die Bürger(innen) sind nicht im Entscheidungsprozess integriert gewesen.
Viele weitere angesprochene Probleme in Deutschland, sind mit dieser Politikverdrossenheit oder diesem Misstrauen und dieser Enttäuschung gegenüber den eigenen Staat oder den eigene Behörden verbunden: man beklagt sich über die noch immer existierende Kluft zwischen Ost- und Westdeutschland; über Arbeitslosigkeit; über schlecht bezahlte Ausbildung und Probleme einen Ausbildungsplatz zu erhalten; über zu viel Bürokratie („Beantragungs-Dschungel“) und die Abwesenheit von Hilfe diese zu bewältigen; über den Öffentlicher Raum der nicht mehr ausreichend gepflegt und erhalten wird; über zu hohe Mietpreise; über hohe Obdachlosigkeit; über soziale Ungerechtigkeit („man kann sich vieles nicht mehr leisten“); über Steuerungerechtigkeit und über das Gefühl das Menschen kaum eine „zweite Chance“ geboten wird. Auf allen diesen Gebieten hat man das Gefühl, dass das Leben in der DDR eigentlich besser war. Das Leben war wenigstens weitestgehend geschützter, geordneter, geborgener, risikofreier, überschaubarer, erfassbarer und vorhersehbarer. Jetzt erwarten die Bürger von der Politik diese gesellschaftlichen Qualitäten mehr zu gewährleisten.
5.8 Auswirkungen des deliberativen Treffens
Eine Demokratie in der 25% der Wahlberechtigen ihr Wahlrecht nicht benutzt und, wie in Brandenburg, 20% sich im hohen Maß gegen das gesamte politische System stellt, hat ein Problem der Legitimität. Ziel muss sein, dass die Bürger(innen) die den Glauben an die Demokratie verloren haben, wieder an der großen gesellschaftlichen Diskussion teilnehmen.
Insofern dass das politische Unbehagen verursacht wird durch soziales Unrecht und soziale Ungleichheit oder durch die Unfähigkeit der Politik fundamentale Gesellschaftliche Strukturen und Prozessen zu interpretieren und zu beherrschen oder durch die Unfähigkeit der Politik Ideen, Perspektiven, und Idealen zu entwickeln die das Zusammenleben Sinn und Richtung gewähren, werden die Wirkungen von Deliberative Events beschränkt sein. Soziales Unrecht ist soziales Unrecht, politisches Unvermögen ist politisches Unvermögen, und kann nicht mit Hilfe von deliberativen Workshops rechtfertigt oder erledigt werden (Siehe auch § 3.5).
Trotzdem können die Deliberationen dazu beitragen, dass sich bessere Verständnisse von Recht und Unrecht, soziale Gleichheit und Ungleichheit, gesellschaftliche Umstände, Entwicklungen und Perspektiven einstellen. Es sind zum Beispiel wahrscheinlich nicht die Ausländer, die die heutige soziale Ungleichheit verursacht haben.
Ebenso ist es für die politische Kultur wichtig, gemeinsam mit Bürger(innen) zu erforschen was ihre Sicht auf die gesellschaftliche Lage ist, welche Probleme, Herausförderungen, Chancen und Zukunftsperspektiven es gibt und wie diese zusammenhangen. Für die Ermächtigung der Bürger(innen) ist es wichtig zu erfahren, dass es möglich, nützlich, aufklärend und auch unterhaltsam ist, mit anderen Bürgern grundlegende Werte, Ideen und Perspektiven zu diskutieren. Deliberative Workshops sind also eine allgemeine Erfahrung in Toleranz, Reflexion, gesellschaftlicher und politischer Teilhabe, die den Weg für weiteren deliberativen Austauschen ebnen kann. Alle unsere Teilnehmer erklärten, dass Sie für weitere deliberative Begegnungen offen sind.
Wie in den folgenden Paragrafen (§ 6) beschrieben wird, ist die Persistenz der Echokammer noch einmal klargeworden. Man sieht dies auf den Webseiten die unsere Zielgruppe besucht sowie auf den persönliche Facebook Seiten der Teilnehmer. Man bemerkt es wenn man den Bürger(innen) persönlich begegnet: die Informationen die diese Bürger(innen) erreichen, sind wenig pluralistisch und beschäftigen sich hauptsachlich mit existierende Meinungen und Gefühlen, die auf den Facebook-Seiten, auf denen diese Bürger aktiv sind, gewissermaßen den gängigen Konsens darstellen.
Interventionen im Internet, das heißt, Versuche auf den durch unsere Zielgruppe besuchten Webseiten zu argumentieren oder Bürger(innen) direkt anzuschreiben und auf bestimmte Meinungsäußerungen zu reagieren, macht wenig Sinn: meistens wird man schnell blockiert (Siehe auch § 4.3). Ein aufrichtiger Austausch von Ideen, Werten und Fakten, und ein gemeinsamer Lernprozess indem Bürger(innen) die eigenen Werte, Ängste, Frustrationen und Hoffnungen besser verstehen und teils die eigenen Präferenzen entdecken, ist also im Internet kaum zu gestalten.
Gleichseitig ließ sich feststellen, dass die Konfrontation mit alternativen Einsichten und Wahrnehmungen in einer deliberativen Umgebung Bürger(innen) oft relativ schnell auf andere Gedanken bringen kann. Ein direkter Austausch zwischen „echten“ Menschen in einem sozialen Kontext, indem man explizit eingeladen wird, gemeinsam Ideen über eine gute Gesellschaft zu entwickeln, ist nicht ersetzbar durch Kommunikation über den Bildschirm.
Auch in unseren Workshops konnten wir das mehrmals wahrnehmen. Wann man nachfragt was die konkreten persönlichen Erfahrungen mit Kriminalität von Ausländern sind, und die Teilnehmer bemerken, dass sie eigentlich keine persönlichen Erfahrungen haben oder, dass die Beispiele die man nennt, oder die anderen nennen, nicht wirklich überzeugend sind, dann schöpft man Raum für Reflexion und Wandel. Dasselbe passiert wann man eine teilnehmende Straßenbahnfahrerin, die den ganzen Tag im öffentlicher Raum verbleibt und wahrnehmen kann was sich in der Stadt abspielt, fragt welche Art von Kriminalität und von wem, sie wahrnimmt, und diese Teilnehmerin antwortet: Deutsche Jugendliche die Haltestelle demolieren. Aufklärung entsteht auch wenn die Möglichkeit besprochen wird, dass arabische und afrikanische junge Männer sich nicht auf Plätzen sammeln um unbedingt Deutsche Frauen zu belästigen, sondern dass diese jungen Männer einfach einer kulturellen Gewohnheit folgen die man in vielen wärmeren, südlicheren Ländern beobachten kann. Viele deutsche Jugendliche haben übrigens ähnliche Angewohnheiten. Es ist in diesem Kontext ein Erfolg, wenn Teilnehmer(innen) nach einiger Zeit erklären „am Austausch mit Geflüchteten interessiert zu sein“ und, dass „es mehr gemeinsame Plattformen geben müsste“. Dies obwohl man Angst behält im eigenen Umfeld als „Ausländerfreunde“ zu gelten.
Aufklärung entwickelt sich ebenso, wenn Menschen einfach die Möglichkeit geboten wird selber ihre Frustrationen, Ängste und Hoffnungen zu benennen und wenn sie in diesem Prozess bemerken was die möglichen Zusammenhänge, Ursachen oder Erklärungen sind und, dass dies nicht alles in Verbindung mit, zum Beispiel, Migranten oder dem Islam stehen kann. Stattdessen geht es um Themen wie soziale Gerechtigkeit, gesellschaftlichen Zusammenhalt, Einsamkeit, Gemeinschaft, Rationalisierung, und unverständlichen und unbeherrschte gesellschaftlichen Wandel. Diese Probleme gilt es ernst zu nehmen und brauchen seriöse Antworten. Es ist nicht unsere Aufgabe den Teilnehmer zu erklären was die Antworten sind, sondern wir wollen zusammen mit den Teilnehmern Probleme sorgfältig definieren und untersuchen wie diese Probleme möglicherweise zusammenhangen, was mögliche Ursachen sind und wie man Lösungen finden kann. Demokratische Grundhaltungen wie Respekt, Toleranz, Weltoffenheit, Neugier, Wissbegierde und Kompromissbereitschaft, basieren letztendlich auf einer pluralistischen Weltanschauung in der ein Verständnis der gesellschaftlichen und ethischen Komplexität im Mittelpunkt steht. Viel ist manchmal schon erreicht, wenn diese Komplexität erfolgreich vermittelt wird.
6 Analyse der Facebook Seiten
Wir sammelten über 1.300 Facebook-Profile, auf denen rechtsradikale Meinungen oder generelle Unzufriedenheit über die etablierten politischen Parteien oder dem gesamten politischen System ausgedrückt wurden. Diese Profile ermöglichten uns die bestehenden Frustrationen, Ängsten und Hoffnungen besser zu verstehen. Im Folgenden werden wir einen Überblick über die Methoden hinter unserer Analyse, sowie Themen und Probleme angeben, sofern sie regelmäßig auf Facebook-Profilen und Seiten geteilt wurden. Es wird auch eine Analyse unterliegender Probleme und Themen geben.
6.1 Online Ressentiment finden
Zunächst mussten potentielle Facebook-Seiten gefunden werden, auf denen relevante Profile gesucht werden können. Facebook wurde als Plattform vorgezogen, weil diese Plattform relativ offen ist und eine große Reichweite aufweist. Es ist die Weltweit beliebteste Social Media Plattform und etwa 38,98 Millionen Deutsche benutzen regelmäßig Facebook, d.h. sie sind mindestens einmal monatlich eingeloggt. Etwa 82,5% der Internetnutzer haben ein Facebook-Konto. Twitter, als Vergleich, wird lediglich von 21% deutscher Internetnutzer verwendet. YouTube, der zweitbeliebteste Social-Media-Kanal, mit etwa 50% Verwendung bei deutschen Internetnutzer, wurde von uns auch zusätzlich untersucht. Da der Inhalt dort vorwiegend als Einzelvideos oder bestenfalls als „Kanal“ organisiert ist und Inhalte nur schwer mit ihren Quellen verknüpfbar sind, war Facebook insgesamt die geeignetste Wahl für unsere Analyse.
In diesem Projekt wurden zunächst Facebook-Seiten ausgemacht, deren Inhalt eine spezielle Gruppe von Individuen anzieht, mit Informationen versorgt und zum Austausch anregt, welche z.B. Demokratie oder Menschenfeindlich sind. Nachdem wir unsere Zielgruppe identifiziert hatten, als Individuen, die in Brandenburg leben und rechtspopulistische Parteien wählen könnten, entschieden wir uns für die AfD Brandenburg Seite auf Facebook, die mit über 19.000 „Fans“ einen guten Startpunkt machte. Von dort aus folgten wir einem Netzwerk verbundener Seiten mit unterschiedlichen Reichweiten: Zukunft Heimat Brandenburg (6.732 Facebook-„Fans“ – Stand Februar 2018), Identitäre Bewegung Berlin-Brandenburg (9.928 Facebook-„Fans“) und Ein Prozent für unser Land (70.327 Facebook-„Fans“).
Im nächsten Schritt, wollten wir wirklich lokale Seiten finden, um von dort aus Individuen zu unseren Workshops einzuladen. Wir entschieden uns Veranstaltungen in Cottbus und Frankfurt Oder durchzuführen und konzentrierten uns deshalb auf lokale Seiten wie Frankfurt/Oder wehrt sich (3.557 Facebook-„Fans“) und Bürgerforum Südbrandenburg (365 Facebook-„Fans“). Auf diesen Seiten suchten wir Individuen, die Beiträge kommentierten, mit „gefällt mir“ markierten oder teilten, wenn diese Ressentiment gegenüber der etablierten politischen Parteien ausdrückten oder falls diese Individuen Meinungen ausdrückten, die als rechtsradikal oder –extrem verstanden werden konnten. Als Beispiel nehmen wir diesen Kommentar, der kurz nach der Wahl geäußert wurde:
“Pffft da passiert gar nichts. 1. die Wahl ist manipuliert, CDU, Grüne, FDP, Linke, wären alle aus dem Bundestag geflogen und AfD hätte allein regiert. 2. AfD wird nicht in der Regierung sitzen, nur in der Opposition, damit erreichen sie gar nichts! Alles wird durchgepeitscht werden, wie geplant und Deutschland zerstört, Schritt für Schritt!“
(Kommentar vom 26.9.17 auf der Seite „Frankfurt/Oder wehrt sich“)
Personen wie diese wurden direkt über Facebook Messenger angesprochen und zu unseren Veranstaltungen in Cottbus und Frankfurt (Oder) eingeladen.
6.2 Trends
6.2.1 Geschlecht
Die Mehrheit der Personen, die auf diesen Seiten interagieren, sind Männer. In den ersten Monaten, in denen wir Profile sammelten, gehörten etwa 70% davon zu Männern. Um dies auszugleichen, haben wir versucht bewusst Frauen anzusprechen, um unsere Workshops nicht einseitig zu gestalten. Damit wollen wir nicht grundsätzlich davon ausgehen, dass Frauen weniger Tendenzen zu rechtspopulistischen Meinungen hätten (zum Beispiel, 9% der wahlberechtigten Frauen und 16% der Männer gaben zur Bundestagswahl 2017 ihre Stimme für die AfD ab ). Doch scheinen diese Online-Foren eher Männer als Frauen zur Interaktion zu ermutigen.
6.2.2 Status Quo: Merkel, die Medien und politische Eliten
“Merkel muss weg!” ist ein bekannter und beliebter Slogan in diesen Kreisen. Er tauchte in vielen Beiträgen und Kommentaren auf. Die Bundeskanzlerin wird als Verräterin identifiziert aufgrund ihrer Position gegenüber Flüchtlingen und wegen der Art und Weise, wie sie die sogenannte “Krise” handhabte. Auf ähnliche Weise gibt es einen starken Verdacht, dass man Medien nicht trauen könne. Die Bezeichnung „Lügenpresse“ findet sich durchgängig auf diesen Seiten. Auf Twitter zeigt der Kanal @einzelfallinfos (derzeit 3.208 „Followers“ dies deutlich. Der Kanal @einzelfallinfos wurde 2015 gesperrt, nachdem Twitter entschied, dass darüber Hasspropaganda verbreitet wurde. Die „Follower“ reagierten damit, das englische Zeichen (Hashtag) #withheldingermany zu nutzen, um damit die Meinungsfreiheit in Deutschland anzuprangern.
Über diesen Kanal wurden z.B. Berichte von Straftaten durch Flüchtlinge in Deutschland verbreitet und mit dem beigefügten Hashtag wurde gleichzeitig zynisch angedeutet, die anderen Medien und deren Nutzer, würden solche Straftaten als isolierte Einzelfälle darstellen und damit das Problem Totschweigen.
“Wenn etwas “wertvoller als Gold ist” in dieser Zeit, dann die Erfahrungen der zurückliegenden Wahlkampagne. Wir haben ein neues Selbstbewusstsein gewonnen! Und eine Ahnung von unserer eigenen Kraft! Gegen die Mainstreampolitik und Mainstreammedien haben wir die Masseneinwanderung und ihre Folgen als das Thema Nr. 1 gesetzt und die Lüge von Merkels Beliebtheit widerlegt. Wir haben das mit einer seit 1989 nicht gesehenen Wut und Wucht, aber durchweg friedlich erreicht. Wir haben Merkel und den Eliten laut und mit offenem Visier widersprochen. Wiederholt wurde Merkel auf öffentlichen Veranstaltungen von Bürgern maßgenommen. Wir haben begonnen, uns zu empören. Und wir machen die Erfahrung, wie gut uns das tut!” (Beitrag vom 26.9.17 auf der „Zukunft Heimat“ Facebook Seite)
Angesichts der wachsenden Zustimmung für die AfD in den letzten Jahren sollte dies nicht überraschen. Misstrauen und Unzufriedenheit gegenüber Kanzlerin Merkel und den einschlägigen Medien wurden häufig berichtet. In Facebook-Gruppen wurde die Kanzlerin als „Volksverräter“ bezeichnet. Für eine Reihe von Kommentierenden scheint ein gewisser Stolz dabei einherzugehen, sich nicht den „Mainstream-Medien“ und etablierten Parteien zuordnen zu lassen. Erwähnungen in solchen Medien werden als Siege gegen große Widerstände gesehen, während sich gegen Bezeichnungen wie „extremistisch“ oder „Rechtsaußen“ verwehrt wird. Es wird angenommen, dass sie lediglich die Meinung einer stillen Mehrheit vertreten.
Interessanter ist womöglich noch das Ressentiment gegenüber politischen Parteien und gegenüber der SPD insbesondere. Die SPD findet nicht viele Erwähnungen online, aber wenn sie auftaucht, dann nur auf sehr negative Weise. Ihr werden die Hartz-4-Reformen vorgeworfen und, dass sie als Opposition ineffizient sei, aber vor allem als Mitregierungspartei in der großen Koalition zusammen mit CDU/CSU, wo die Bürger der Meinung sind, die SPD verliere ihre Ideale und ließe sich von Merkel und ihrer Partei rumkommandieren
Kurz vor der Wahl sahen viele AfD-Sympathisanten die Schwäche der SPD als Zeichen des Versagens der Partei und eine Chance für die AfD.
“Die AfD ist auf dem Weg zum sicheren dritten Platz. Die SPD könnte unter 20% landen und wäre damit nur noch 8% vor der AfD. Wir freuen uns auf den Wahlabend!” (Beitrag vom 14.9.17 auf „Junge Alternative Brandenburg“)
6.2.3 Flüchtlinge, Migranten, Kriminalität und „Islamisierung“
Ein unumgehbares Thema auf den untersuchten Seiten und Profilen war die Rolle von Flüchtlingen und Migration sowie die vermeintlichen Zusammenhänge mit Kriminalität. Dies wurde für viele als Motivation für ihre politischen Meinungen dargestellt. Häufig wird damit auch die vermeintliche „Islamisierung“ Deutschlands verbunden. Die Facebook-Seite „Frankfurt/Oder wehrt sich“ wies als Selbstbeschreibung den Schriftzug „Schluss mit dem Asylmissbrauch!“ auf, sowie ein Banner mit den Worten „Asylflut Stoppen“. Dies war typisch für viele untersuchte Seiten.
Häufig bezogen sich die beliebtesten Inhalte auf diesen Seiten (gemessen an „gefällt mir“-Angaben, Kommentaren und Teilungen) auf Straftaten, vor allem Gewalttaten, die von Flüchtlingen begannen wurden. Eine Seite, die wir beispielsweise eine Woche lang untersuchten, zeigte einen Artikel über ein Messerdelikt, welches fünfmal mehr solcher Interaktionen provozierte, als andere Inhalte auf derselben Seite in derselben Woche . Kommentare auf einen Artikel über den Islam in Deutschland provozierten auch viele Reaktionen:
“schon vor zweitausendfünfzehn kamen die Muslime und ihr habt nix dagegen getan, ab Zweitausendfünfzehn kommen tausende und ihr habt nix dagegen getan und nun im Sept. wählt ihr erneut Merkel, also was regt ihr Euch auf” (Kommentar vom 12.9.17 auf „Frankfurt/Oder Wehrt sich“)
Diese Kombination aus Angst vor Flüchtlingen und dem Glauben, dass die Präsenz von Flüchtlingen in Deutschland zu erhöhter Kriminalität und „Islamisierung“ führen wird, war auch etwas, das wir in Gesprächen mit den Workshop Teilnehmern hörten. Eine Person schrieb uns:
“Nur ein sehr kleiner Prozentsatz der Flüchtlinge ist kriminell aber z.B. 2% von 1.000.000 sind eine ganze Menge. Hier ist das deutsche Rechtssystem überfordert. In den Ländern, wo die Flüchtlinge herkommen, gibt es härtere und vor allem schnellere Strafen. Wenn bei uns erst nach der 20. Straftat der Prozess kommt, wird das als Schwäche empfunden und es wird weitergemacht (siehe Kriminalitätsstatistik). Hier muss sofort nachgesteuert werden… Das Kopftuchtragen usw. ist in der Öffentlichkeit zu verbieten. Moscheebauten sind einzustellen. Versuchen Sie in Saudi- Arabien eine Kirche zu bauen. Unser Land, unsere Werte unsere Regeln…wer sich nicht daranhalten will, kann gern wieder gehen. Parallelgesellschaft, Großfamilien sind zu beseitigen. Gleiche Rechte z.B. bei Strafverfolgung und Steuererhebung für alle. Unterbindung des türkischen Einflusses in Deutschland. Predigten der Imame nur noch in deutscher Sprache.” (schriftlicher Austausch mit einem potentiellen Teilnehmer)
Eine solche Aussage ist teils repräsentativ für die Art der Kommentare und Antworten, mit denen wir in diesem Projekt vor allem konfrontiert waren („teils“, weil hier noch relativ gedanklich argumentiert wird). Die Flüchtlingssituation bleibt eine zentrale Problematik für nahezu alle auf diesen Seiten interagierenden Personen. Dieser Trend war interessanter Weise genauso deutlich in Regionen, die de facto nur wenig Flüchtlinge aufgenommen hatten. Im Gegenteil waren dort häufig diese Themen sogar noch vordergründiger, meistens der Angst verschuldet, es könnte ja ähnliche Resultate geben wie in den Internetforen geschildert wird.
6.2.4 Ostalgie und Ungleichheit im Osten
Neben den Themen, welche in den Kommentaren und geteilten Inhalten explizit herausstachen, gab es noch subtilere Themen, welche zu beachten sind, um ein volleres Verständnis der Menschen zu erhalten, die für rechtspopulistische Parteien empfänglich sind. Ein Thema, welches sowohl online als auch in späteren Diskussionen mit Teilnehmenden deutlich gemacht wurde, war die Nostalgie nach dem Leben in der DDR und Stolz auf die preußische Herkunft. Sätze in den Workshops begannen häufig mit „in der DDR-Zeit“ und führten zu einem positiven Vergleich der DDR und der jetzigen gesellschaftlichen Lage. Ein Teilnehmer des Workshops in Cottbus meinte zum Beispiel:
“In der DDR habe ich 500 Mark verdient und 60 Mark für Miete gezahlt. Jetzt verdiene ich 1000€ und muss davon 600€ Miete bezahlen. Ist das Fortschritt? (Teilnehmer im Workshop in Cottbus)
Zumeist wird dieses Gefühl der Ungleichheit in Online-Foren ausgedrückt, wenn die als besser gestellte Lage von Flüchtlingen mit der eigenen verglichen wird. Ein beliebter Beitrag ist so der Vergleich von sozialstaatlichen Leistungen für Flüchtlinge mit den Leistungen für in Deutschland Geborene (z.B. ALG 2 oder Altersrenten). Die Zahlen in diesen Beiträgen sind meistens stark übertrieben, wenn z.B. behauptet wird, einzelne Flüchtlinge bekämen tausende Euro an Unterstützung monatlich.
Es gibt noch eine Reihe anderer Möglichkeiten dieses Gefühl des “Zurückgelassen Seins” online zu kommunizieren. Eine Reihe von Personen stellten ihren Stolz für ihre Herkunft dar, indem sie ihre Nachnamen auf „Preuße“ änderten oder preußische Ikonographie auf ihrer Seite teilten.
6.3 Digitale Echokammern
Die Idee der „Echokammer“ als Beschreibungsformel für den Einfluss sozialer Medien auf individuelle politische Präferenzen, ist heutzutage weitverbreitet. In diesen Echokammern formt sich eine kollektive Stimme der Freunde und Bekannten, die typischerweise ihre soziale und politische Position teilen, Inhalte wiederholt online stellen und deren Überzeugungen sich zunehmend annähern. Diese Tendenz wird durch die Algorithmen sozialer Medien verstärkt, wenn Inhalte häufiger gezeigt werden, die den eigenen Interessen entsprechen. Digitale Räume reflektieren so die eigenen Meinungen überproportional stark (Barnett 2017; Mestel 2016; Nichols 2017; Poole 2017; Weisber 2016). Daher werden „kalte“ Kontaktversuche online, sofern sie an die gegenüberliegende Seite des politischen Spektrums gerichtet sind, sehr umstritten und werden mit Verdacht und Ablehnung behandelt.
Die häufigste Antwort auf die Kontaktversuche von Social Science Works (abgesehen von der Vielzahl der Fälle, in denen wir komplett ignoriert wurden) lautete: „Wie haben Sie mich gefunden?“ Einige Personen antworteten mit Feindseligkeit, Beleidigungen und dem Blockieren der Person von Social Science Works, die diese angesprochen hat. Andere Personen haben sexuell konnotierte Anmerkungen und Kommentare gesendet, womöglich mit dem Ziel von uns selbst geblockt zu werden. Selbst wenn es zu einem Gespräch kam, war das Misstrauen sehr hoch. Eine Frau hinterließ uns beispielsweise eine zwei Minuten lange Tonnachricht, in der sie zu wissen forderte, wie wir ihr Profil gefunden hätten, was unsere Ziele seien und warum wir Interesse an ihr hätten. Ein anderer potentieller Teilnehmer wehrte sich gegen den Ort, an dem der Workshop stattfand, weil er in der Nähe eines Verwaltungsgebäudes gelegen war und er dachte, der Ort gehöre auch zu einer staatlichen Organisation.
Teil dieses Misstrauen ist sicherlich die Intransparenz von Echokammern. Angesicht der generell negativen Sichten auf „das Establishment“ und dem scheinbar endlosen Misstrauen in den reproduzierten Beiträgen kann dies nur Teil der Antwort sein. Eine Gefahr mit dieser Kontaktmethode ist daher, dass es das Misstrauen eher noch verstärkt. In den Workshops war es wichtig als erstes klarzumachen, dass Social Science Works keine staatliche Einrichtung ist und dass alle geteilten Informationen anonym behandelt werden. Auf diese Art und Weise konnten wir beginnen ein offenes und vertrauenswürdiges Umfeld zu schaffen.
6.4 Nachwort: fehlende Medienkompetenz
Für dieses Projekt entscheidend war ein Verständnis sowohl der Online-Räume, in denen Sympathisanten für rechtspopulistische Parteien sich sammeln, als auch der Hintergründe, Probleme und Sorgen der Menschen, die diese Parteien letztlich wählen könnten. Es wird nicht überraschen, dass viele der wahrgenommenen Probleme in direkter Verbindung mit der sogenannten „Flüchtlingskrise“ stehen, doch die Details sind hier wichtig. Häufig sind die verbreiteten Informationen falsch oder Halbwahrheiten, die bewusst Instrumentalisiert werden und fehlleiten sollen.
Die Fähigkeit der Gesellschaft mit den Medien umzugehen und insbesondere mit sozialen Medien, scheint nahezu komplett zu fehlen. In Zeiten, wo das Konzept der „Fake News“ weitverbreitet ist, ist es diese Gruppe, welche den etablierten Medien extremes Misstrauen entgegenbringt. Zum Teil liegt dies daran, dass die Informationen aus den sozialen Medien den etablierten Medien direkt widersprechen, aber die gleiche Aufmerksamkeit genießen. Oberflächlich wird es immer schwieriger die Qualität der Nachrichten und ihrer Quellen zu beurteilen, vor allem für Leute die sich nur in Ihrer Meinung stärken wollen. Des Weiteren gibt es im Internetzeitalter neue Kriterien für Qualität. Viele Bürger und Bürgerinnen stellen populäre (häufig geteilt, kommentiert, geliked) Beiträge mit qualitativ Hochwertigen Beiträgen gleich. Je länger dies so fortgeführt wird, desto stärker werden die Echokammern und umso größer wächst das Misstrauen. Dieses Problem muss dringend angegangen werden.
7. Ausblick
7.1 Wie geht es weiter?
Im kommenden Jahr wollen wir als Social Science Works erneut deliberative Workshops veranstalten um das Gespräch mit den Bürgern zu suchen, sie zu verstehen und uns mit ihnen über die Themen die sie Bewegen auszutauschen und zu diskutieren. Hierzu ist es uns als Organisation besonders wichtig Leute aus verschiedene gesellschaftlichen Schichten und mit unterschiedlichen politischen Affiliationen zusammenzubringen. Dies soll der vorangeschrittenen Absonderung und Spaltung der Gesellschaft auf politischer und gesellschaftlicher Ebene Entgegenwirken.
Vor den Kommunalwahlen die im Frühjahr 2019 in Brandenburg stattfinden werden, wollen wir im Sommer und Herbst 2018 in den Austausch mit Wählerinnen und Wählern kommen und 4 Workshops mit jeweils 15 Teilnehmern an verschiedenen Orten im Land Brandenburg organisieren. Hierfür haben wir die Orte Nauen, Templin, Wittenberge und Frankfurt Oder vorgesehen, da diese Orte sich in unterschiedlichen Regionen des Landes Brandenburg befinden und einen Rechtsruck in den Bundestagswahlen 2017 aufweisen.
7.2 Rekrutierung der Teilnehmer
Da sich die direkte Rekrutierung über das Internet als äußert zeitaufwendig und ineffizient erwiesen hat, wollen wir 2018 andere, indirekte Methoden wählen. Vertrauen ist extrem wichtig, um eine Einladung anzunehmen, vor allem wenn man sein Gegenüber kaum kennt und sich eventuell in seiner politischen und gesellschaftlichen Überzeugung angegriffen fühlt. Gerade dieses Vertrauen fehlt bei den Menschen derzeit. Wahrscheinlich kann man diese Bürger(innen) deshalb am besten indirekt erreichen, indem wir den Kontakt zu Bürger(innen) die das Vertrauen in die Gesellschaft, Politik und Demokratie noch nicht verloren haben suchen.
Wir möchten die Bürger(innen) in der Zielgruppe über Ehrenamtliche Arbeiter, Mitglieder von politischen Parteien, und Mitglieder von Zivilgesellschaftlichen Organisationen erreichen. Diese Gruppen wollen wir einladen ein Familienmitglied, Nachbar(in), Freund(in), Kollege, oder Bekannte einzuladen von denen sie den Eindruck haben zu unserer Zielgruppe zu gehören und der eventuell daran Interessiert ist an einem politischen Diskurs und einer Diskussion über gesellschaftliche Probleme teilzunehmen.
Zusammen werden beide Bürger(innen) eines der von uns organisierten eintägigen deliberativen Events besuchen. Hier werden wir gemeinsam, in einer gemischten Gruppe von 15 Personen, mit den Teilnehmern erforschen was ihre Sicht auf die gesellschaftliche Lage ist, welche Probleme, Herausforderungen, Chancen und Zukunftsperspektiven es gibt und wie diese zusammenhängen.
7.3 Öffentlichkeitsarbeit: Multiplikation mit Hilfe der Presse
Des Weiteren wollen wir dieses Mal eng mit der Presse zusammenarbeiten. Die Presse kann als wichtiger Multiplikator unserer Bemühungen wirken, da eine ausführliche Berichterstattung über unsere Events und die diskutierten Themen Gedankenprozesse bei Leuten auslösen kann, die selbst nicht zu einem unsere Workshops erschienen sind.
Hans Blokland und Florentin Münstermann
Potsdam, März 2018
8 Literaturauswahl
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