Newsletter Partnerschaft für Demokratie. Weiter Reden. 24 Juni 2020
Wünsdorf: Gesprächsreihe mit Geflüchteten wird fortgesetzt
Eine der ersten von der Partnerschaft für Demokratie mitgetragenen Veranstaltungen im Landkreis Teltow-Fläming nach der Corona-Kontaktsperre wird demnächst mit Geflüchteten in der Wünsdorfer Erstaufnahmeeinrichtung gestartet. „Weiter Reden – Wertedialog mit Neuankömmlingen“ nennt sich der Workshop des Potsdamer Bildungsträgers Social Science Works. Er schließt sich an mehrere Seminare an, die 2019 dort bereits stattgefunden haben.
Nach der Erfahrung des Vorjahres hatten sich viele Flüchtlinge eine Fortsetzung gewünscht. Die zehn dreistündigen Workshops hätten längst begonnen, wäre nicht dieser Tage ein Corona-Fall in der Aufnahme-Einrichtung aufgetreten. Mitte Juli soll es nun losgehen, hofft Hans Blokland, Geschäftsführer von Social Science Works.
„Wir machen keinen Frontalunterricht, wir kommen nicht als Autoritäten, die den Teilnehmern erklären, was die Wahrheit ist oder wie sie leben sollen“, sagt der aus den Niederlanden stammende Sozialforscher, der mehrere Jahre lang an der Humboldt-Universität gelehrt hat. In Potsdam hat er eine Gruppe von rund 20 Sozial- und Politikwissenschaftlern aufgebaut, die sich mit unterschiedlichen Schwerpunkten an zahlreichen Projekten beteiligen. Allen gemeinsam ist, dass sie in ihrer Arbeit einen deliberativen Ansatz verfolgen.
Dazu gehört, Workshops zu Themen wie Demokratie, Zivilgesellschaft, Pluralismus, Toleranz oder Identität zu gestalten, in denen die Dozenten gemeinsam mit den Teilnehmern dazu Positionen erarbeiten und Argumente austauschen. Blokland: „Wenn man das zusammen macht und durchdenkt, fühlen sich alle respektiert und ernst genommen.“
„Die offene Diskussion mit Vertretern anderer Kulturen über grundlegende
Werte wird unser Denken erweitern, unsere eigenen Kulturen relativieren
und auch neu beleben. Es könnte uns helfen, die europäische Identität,
die das Fundament einer Europäischen Union bilden sollte, zurückzuverfolgen
und neu zu definieren.“ (Quelle)
Über europäische Werte möchte er zunächst im Wünsdorfer Workshop mit den Geflüchteten reden. Darunter versteht er auch die Einsicht, dass es keine endgültigen Wahrheiten gibt. Die Grundlage jeder Demokratie sei der Zweifel darüber, ob die eigene Perspektive auf die Welt oder die eigene Lebensweise die einzig wahre und empfehlenswerte sei. Diese Seminarform soll die Möglichkeit bieten, mit Unsicherheiten umzugehen und nicht auf einfache Antworten zu setzen.
Im Mittelpunkt steht für Hans Blokland und seine Potsdamer Mitstreiter immer das Gespräch. Das gelte zum Beispiel auch für die Auseinandersetzung mit eher rechtsgesinnten Teilnehmern, die er zuweilen geführt hat. Unter den Menschen mit Sympathien für populistische Bewegungen gebe es durchaus manche, die sich als Bürger abgetan fühlten, nicht in der Lage zu sein, über eigene Positionen nachzudenken.
Bei der Bereitschaft zur Reflexion will Blokland einhaken, wenn er einlädt, über Ideen und Vorstellungen zu reden und zugleich einen beidseitig respektvollen Umgang zu pflegen. Bei den Geflüchteten in Wünsdorf kam diese Gesprächsform der Deliberation – der kritischen Wertschätzung von Meinungen und Gepflogenheiten – so gut an, dass viele sich in diesem Jahr bereits zur Teilnahme angemeldet haben. Die Idee ist, dass die Frauen und Männer später gleichsam als Multiplikatoren in ihrer eigenen Umgebung wirken können.
Blokland: „Vom Gespräch geht eine große Kraft aus, weil sich die Beteiligten gezwungen sehen, ihre Ansichten zu begründen. Ich bin überzeugt davon, dass wir viel zu wenig miteinander reden.“